
1-2025 | Schmerz
Die Schmerzen sind es, die ich zu Hilfe rufe, denn sie sind Freunde, Gutes raten sie. (Goethe)
Luftalarm im ganzen Land als stellten sie jedes Mal alle an die Wand zielen aber nur auf einen von denen zumeist, die an den Rändern stehen Heute bist das nicht du, Entwarnung kannst gehen (Viktorija Amelina)
Der Text der ukrainischen Dichterin Viktorija Amelina erscheint vor einem völlig anderen Hintergrund als der abgeklärte Umgang mit dem Schmerz, den Goethe beschreibt. Sie drückt einen Schmerz aus, der so weit entfernt und doch so bedrohlich nah erscheint: die stete Gefährdung der Existenz durch einen gnadenlosen Aggressor, die Angst, beim nächsten Angriff einen geliebten Menschen zu verlieren oder selbst zum Opfer zu werden, tot oder verstümmelt. Resignation klingt an in den Schlussworten ihres Gedichtes. Die »Zeitenwende« hat Europa und der ganzen westlichen Welt die Fragilität ihrer vermeintlichen Sicherheit vor Augen geführt. Rasant verändern sich viele Verhältnisse, die Konsequenzen sind noch nicht absehbar. Da ist die Angst vor dem kommenden Schmerz des Verlustes von gewohnten Verhältnissen, des Zerbrechens eines bewährten Lebensrahmens. Das sind Gedanken, die wir nicht mehr nötig zu haben glaubten, und die Erinnerung an Erich Kästners Worte steht nahe: »Wird‘s besser? Wird’s schlimmer? fragt man alljährlich. Aber seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich«. ….